Als vor einigen Wochen ein junger Afghane vier Passanten auf der Straße mit
dem Messer attackierte und schwer verletzte, teilte Bundeskanzler Sebastian
Kurz mit, solche Vorfälle „dürfen keinesfalls toleriert werden.“ Aha. Gab es in
Österreich die Tendenz, eine Messerattacke wie diese zu „tolerieren“? Kennen
Sie jemanden? Kennt der Bundeskanzler jemanden?
Vor dem Treffen der EU-Spitze mit dem türkischen Präsidenten Erdogan dieser
Tage teile Bundeskanzler Kurz mit, die Türkei solle nicht in die EU
aufgenommen werden. Aha. Gibt es in der Europäischen Kommission, im Rat,
im Parlament Tendenzen, die Türkei in ihrem gegenwärtigen Zustand zum
Mitglied der EU zu machen? Gibt es eine ernstzunehmende Stimme, die das
fordert?
Was wird uns der Bundeskanzler als nächstes mitteilen? Hoffentlich nicht, dass
zwei und zwei vier ist. Gelegentlich wäre es allerdings angemessen, mehr vom
Bundeskanzler zu hören. Zum Beispiel nach dieser bemerkenswerten
Hausdurchsuchung beim BVT, nach den Widersprüchen, die es in der offiziellen
Darstellung über den Ablauf dieser Amtshandlung gibt, nach der merkwürdigen
Beschlagnahme von umfangreichem Material ausgerechnet im Extremismus-
Referat, wo Rechtsradikalismus und Neonazismus untersucht werden, und
schließlich nach der kläglichen Stellungnahme des Justizministers, mit welcher
er die Aktion zu rechtfertigen suchte: da wäre es gut gewesen, den
Bundeskanzler zu hören.
Seine spätere wenig überraschende Feststellung, der Innenminister genieße
sein Vertrauen, und der Hinweis, dass alle jetzt noch offenen Fragen von den
Gerichten zu klären seien, erhebt die Frage, ob es davor nicht auch so etwas
wie politische Verantwortung geben sollte. Ist jede politische Maßnahme
legitim, die nicht ins Kriminal führt?
Armin Wolf schrieb vor kurzem in seinem Blog, Kanzler Kurz sei „der mächtigste
seit Bruno Kreisky“. Er begründet das auch. Gerade deswegen erwarten wir von
Sebastian Kurz relevante Aussagen in heiklen Situationen und keine
Selbstverständlichkeiten.

 

Beitrag von unserem Mitglied Peter Huemer
zuerst erschienen in der Kleinen Zeitung, 28.3.2018

Beitragsbild: cc 2.0 Dragan Tatic, BMEIA